Porträt: Ins Volleyball rutscht sie so nebenbei, startet dann voll durch. Kerstin Schenke von Regionalligist Speyer ist immer wieder wertvollste Spielerin, plaudert über ihre Karriere und welche Bedeutung Bewegung für ihren neuen Beruf hat.
Von Ulrike Dansauer
Speyer. „Eine Faschingssitzung“ – das war es, was die damals Achtjährige und spätere Volleyballerin Kerstin Schenke zum Sport brachte. „Ich fand die Tanzgruppe toll. Da wollte ich gern mitmachen.“ Zunächst landete sie beim Geräteturnen und dann, parallel zum Turnen, beim Fußball. „Aber das hat mich nicht richtig angefixt.“
Und Turnen war „sehr toll, aber auch „sehr zeitintensiv“, und barg Verletzungsrisiken. „Ich hatte Probleme mit dem Wachstum und mit entzündeten Fersen. Das machte keinen Sinn mehr“, und deshalb gab es sportlich erst einmal eine Pause. Die Wende kam schließlich im „Getränkehandel“. Denn dort fragte sie ein Volleyballtrainer, ob sie sich den Sport nicht vorstellen könnte, beim TuS Olsbrücken.
Trainer hartnäckig
„Nein, das ist doof“, lautete Schenkes erste Reaktion, aber der Trainer ließ nicht locker. Also dachte sie sich „Mal gucken“ – und ist seit ihrem 15. Lebensjahr „gekommen, um zu bleiben“. „Die Truppe war echt cool, sehr familiär“, erinnert sie sich. „Es war einfach schön und eine schöne Gemeinschaft.“ Von da ab ging es aufwärts und natürlich zu Meisterschaften.
Mit der ersten Mannschaft ging es „drei Klassen höher“ und weil Schenke „Bock auf ein bisschen mehr Landesliga hatte“ nach einem Telefonat in selbige. Ihr Studium verschlug sie schließlich ins Saarland und dort zum TV Dudweiler, welcher „drei Klassen höher“ spielte. Ich dachte mir, krass. Wie soll ich das und mein Studium auf die Reihe kriegen?“
Eigentlich ganz klar: „Einfach probieren.“ Ihr gefiel dort „ein ganz anderer Blick auf den Sport und wie mit den Spielerinnen umgegangen wurde“. Als das Saarbrücker Team in die 2. Bundesliga aufstieg, „bekam ich einen Anruf vom Trainer, ob ich nicht dort spielen wolle“. Wieder die Frage „Wie soll ich das hinkriegen? Vor allem nachdem das mit der Regionalliga schon so schnell ging.“
Als Antwort nach Gesprächen erhielt sie „entweder warten oder mitmachen. So bin ich in der 2. Bundesliga gelandet.“ Nach dem Studium wusste sie erst einmal nicht, was sie tun sollte, aber nach einigem Rumprobieren wusste sie beim AT Sonthofen „nach fünf Minuten, das ist es. Leute und Trainer sind super und die Region sehr schön.“
Im Allgäu holte das Team den Vizemeister. Aber Schenke wollte nicht mehr nur mit einem Nebenjob über die Runden kommen, sondern beruflich richtig einsteigen. Sie bekam einen „Job in der Eifel“ und spielte beim TV Lebach. „Das war viel Fahrerei.“ Die studierte Sportwissenschaftlerin arbeitete in einer Suchtklinik und entdeckte die psychotherapeutischen Verfahren mithilfe der Körperarbeit für sich. Und durch den berufsbedingten Umzug nach Bad Dürkheim ging’s zum TSV Speyer.
Im Zentrum für psychisch Kranke machte sie eine Ausbildung, um Traumatisierten zu helfen. „Ich entwickelte mich vom Sport weg.“ Das hat Gründe. Denn der Leistungssport verlangt dem Körper viel ab. „Man übergeht den Körper viel, sagt nicht, dass man Schmerzen hat. Das wird auch erwartet. Ich musste Spiele mit drei Kapselrissen am Daumen spielen“, erzählt sie.
„Der Leistungssport ist kein guter Umgang mit dem Körper“, kritisiert Schenke. „Und die einseitige Belastung ist nicht besonders gesund.“ Deshalb habe ihr die neue Berufsausrichtung gut gefallen – die körperliche Wahrnehmung zu schärfen, die Grenzen des Körpers besser wahrzunehmen. „Der Körper ist keine Maschine“, betont sie.
Auch Traumata seien über Körperarbeit zu lösen. „Da muss man nicht viel über die traumatischen Ereignisse wissen. Aber der Körper reagiert auf Traumata.“ Deshalb versucht sie bei ihren Klienten „den Zugang zu finden, wo das Trauma oder hohe Anspannungszustände im Körper feststecken“. Denn durch die Instinkte, die sofort in einer gefährlichen Situation greifen, wird Energie aufgebaut.
Bei Tieren entlädt sich diese Energie nach der Gefahr zum Beispiel durch Zittern, tiefes Atemholen oder „Rumrennen“ wieder. Aber der Alltag und die gesellschaftliche Sozialisation des Menschen machen das oft nicht möglich. „Die Kriegszitterer in den Weltkriegen wurden abgewertet“, nennt sie ein Beispiel.
Dann steckt die Energie als hoher Erregungszustand im Körper fest. „Kleinschrittige Übungen“ und einfache, wie „die Arme nach vorne bewegen, wie wenn man etwas wegschubsen oder sich schützen würde“, könnten helfen. „Dafür braucht man jemand Erfahrenen, und es braucht Zeit.“ Denn das Nervensystem muss sich wieder regulieren.
„Der Körper weiß eigentlich, was er braucht und was er zu tun hat.“ Das Sporttreiben sieht sie mittlerweile durch ihre Ausbildung entspannt. „Viele haben durch den Schulsport schlechte Erfahrungen gemacht, leider. Rausgehen in die Natur und dorthin, wo man gerne ist und was einem gut tut“, empfiehlt sie statt Auspowern.
„Schauen, wie ist es, wenn ich vor die Tür gehe und andere Reize wahrnehme.“ Auch Sporteln in Gemeinschaft tue gut: „einfach in Bewegung kommen.“ Und dann lässt sie noch eine Bombe platzen. Denn für sie ist eines mittlerweile „ganz klar: Ich werde kein aktives Volleyball mehr spielen. Meine Sportkarriere endet komplett.“
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